„Mit der Realität hat das wenig zu tun.“ – Kieler Juwelier kritisiert ZDF-Sendung „Bares für Rares“
Pressemitteilung vom 3.10.2018
Die TV-Sendung „Bares für Rares“ ist bei den Zuschauern sehr beliebt. Die Bewertung der Schmuckstücke ist jedoch unsachgemäß und unfair dem freien Handel gegenüber. Der Kieler Juwelier und vereidigte Sachverständige Jens Bahr bezieht Stellung.
Als vereidigter Sachverständiger habe ich Kontakt zu vielen Händlern, sowohl Einzel- als auch Großhändlern, auf nationalen und internationalen Märkten. Jeder dieser Menschen kann bestätigen, dass das, was den Kunden in der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ an Geld für ihre Wertgegenstände geboten wird, in den meisten Fällen utopisch ist. Es entspricht in keiner Weise dem, was sie auf dem freien Markt erhalten würden. Dies ist aus Sicht der freien Händler problematisch, denn den privaten Verkäufern werden falsche Vorstellungen vermittelt. Den Frust der Kunden müssen dann die einzelnen Händler auffangen.
„Es geht der Sendung nicht um eine realistische Einschätzung des Werts, sondern um Zuschauerbindung.“
Im Fernsehstudio wird eine künstliche Situation erschaffen. Die Händler, die sich gegenseitig überbieten, vermitteln die Idee einer Nachfrage, die es im echten Leben gar nicht gibt. In der Sendung wird nicht den Regeln des echten Marktes gefolgt, sondern denen des Fernsehens. Und das Fernsehen funktioniert nun mal nach bestimmten Prinzipien: Enttäuschung verkauft sich nicht gut. Enttäuschung ist ein Element, dass zwischendurch gezielt eingestreut wird, damit der nächste Glücksmoment umso höher wiegt.
Entscheidend sind eben diese Glücksmomente: Die Erbstücke der Kunden werden gewürdigt und mit viel mehr Geld entlohnt, als sie erwartet hätten. Der Zuschauer freut sich mit, so wie man sich freut, wenn der Nachbar im Lotto gewinnt. Die nette kleine Botschaft zwischen den Zeilen lautet nämlich: Das könnte auch mir passieren! Glückliche Kunden, glückliche Zuschauer, höhere Quoten. Hier geht es nicht um eine realistische Einschätzung des Werts, sondern um Zuschauerbindung.
Alles im Überfluss
Stellen Sie sich eine Sendung vor, in der jeder einzelne Kunde weit weniger erhält, als er sich erhofft hat: 400 € für ein Meißen-Service, das einmal 10.000 DM gekostet hat. 500 € für einen Perserteppich, für den man vor vielen Jahren noch 30.000 DM bezahlt hat. Das wertvolle Silberbesteck soll sogar eingeschmolzen werden – man erhält circa 5 € pro Gabel, die die Großmutter einst für 120 DM eingekauft hat.
Bitter, oder? Bei so einer Sendung würden Sie sofort wegschalten. Doch im Grunde wissen Sie es selbst: Wir leben in einer Zeit, in der es alles im Überfluss gibt. Außerdem haben sich unsere Werte und Ansprüche verändert: Alles muss schnell gehen, praktisch sein. Die Hemden bügelfrei, der Kühlschrank smart. In unseren komplexen Leben wollen wir uns der lästigen Zusatzaufgaben entledigen. Welcher junge Mensch möchte heute noch Silber putzen?
Nur Raritäten erzielen hohe Werte
Auch das Interesse an Nachkriegsschmuck aus den 1950ern und 1960ern ist – entgegen dem, was die ZDF-Sendung suggeriert – nicht gegeben, denn es gibt ein Überangebot solcher Waren. Durch Erbschaften kommen jede Woche Tausende dieser Schmuckstücke auf den Markt. Auf nationalen und internationalen Auktion erzielen nur noch hochwertigste Einzelstücke von Firmen mit internationalem Ruf (Tiffany, Cartier, Bulgari) hohe Werte. Für ein Bulgari-Collier, welches mal eine Million Deutsche Mark gekostet hat, würde man auch heute noch viel Geld bekommen, da solch ein Schmuckstück eine absolute Rarität ist. Bei Schmuck ohne bekanntem Herstellernamen kann froh sein, wenn man 10 % des damalig bezahlten Wertes erhält.
Schmuck-Recycling: Gut für die Umwelt
Das Resultat des Überangebots und der sinkenden Nachfrage ist logischerweise der Verlust an Wertigkeit. Die Branche hat hierfür eine wunderbare Lösung gefunden: Was man nicht mehr verkaufen kann, wird eingeschmolzen und dem Handel als Rohstoff wieder zur Verfügung gestellt. Wir müssen im Grunde nicht noch tiefere Löcher in die Erde graben, müssen keine Wälder zerstören, keine Kriege führen um neues Gold und Silber in unseren Handel einzuführen. Es gibt genügend Gold und Silber auf dem Markt um die aktuelle Nachfrage zu decken. Der Schmuck-Recyclingmarkt boomt. Allerdings erhalten die Kunden nur den aktuellen Materialwert ihrer Schmuckstücke, der erheblich vom einstigen Einkaufswert abweicht.
Aus den angeführten Gründen ist es uns rätselhaft, welch hohe Preise die TV-Händler für die angebotenen Schmuckstücke auszugeben bereit sind. Für sie ist das höchst unwirtschaftlich und wir wagen zu behaupten, dass die Händler diese Summen außerhalb der Sendung niemals ausgeben würden. Denn auf das, was sie für die Schmuckstücke zahlen, müssen sie schließlich noch etwas aufschlagen, um überhaupt daran zu verdienen. Und für solch einen hohen Preis werden sie die Ware niemals los. Was hier im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen vermittelt wird, mag unterhaltsam sein. Mit der Realität hat es allerdings wenig zu tun.