Familienschätze unter der Expertenlupe
„Vier Stempel weisen mir den Weg bei der Altersbestimmung“, sagt Jens Bahr und dreht die Silberkanne mit dem Boden nach oben. „Hier haben wir das Meisterzeichen, dort die Zeichen der Stadt und des Herrschers“, deutet er auf die einzelnen mit Hammer und Punze eingeschlagenen Silbermarken. Des Weiteren ist der Feingehalt eingestempelt, der nach dem Deutschen Stempelgesetz von 1888 einen Silbergehalt von mindestens 80 Prozent und dessen Kennzeichnung vorschreibt. „Zuweilen ist zusätzlich der Stempel des Herstellers zu finden“, kommentiert Jens Bahr seine Untersuchung. Der Kieler Juwelier ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer zu Kiel für Gold-, Silberwaren und Farbedelsteine und mit diesen drei Bereichen der einzige in Schleswig-Holstein.
Am 22. Februar ist er im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Silber“ zu Gast im Warleberger Hof. Angemeldete Besucher können ihre Silberschmiedearbeiten wie Becher, Leuchter, Karaffen, Pokale oder antiken Silberschmuck aus dem Kieler Familienbesitz vorstellen. Jens Bahr gibt sein Expertenwissen auf unterhaltsame Weise an die Besucher weiter.
Nicht nur im Stadtmuseum stellt sich der Juwelier der Frage nach dem Wert von Schmuckstücken und Ziergegenständen. Am Belvedere 1 hat der Schmuckexperte, der auch schon bei Tiffany in London tätig war, das ehemalige Straßenbahnhäuschen am Wiker Tor seit 2004 in ein Schmuckstück verwandelt. In dem Geschäft finden Kunden nicht nur edle Ziergegenstände, sondern hochwertigen Diamantschmuck, Gold-, Silber- und Platinschmuck aus der eigenen Goldschmiede und Steinschleiferei sowie von namhaften Herstellern. Hier können Kunden auch Schmuck, Uhren, Diamanten sowie Wertgegenstände aus Gold, Silber und Platin beurteilen lassen. Jens Bahr erstellt Gutachten für Gerichte, Versicherungen, bei Erbschaften und bei Rechtsstreitigkeiten.
Zuweilen möchte ein Kunde einfach den Wert eines Schmuckstückes oder des Tafelsilbers erfahren. Einmal kam eine Kundin in das Geschäft, um einen Ring mit einem, wie sie sagte ‚etwas schmuddeligem Bergkristall‘ schätzen zu lassen. Der Stein habe sich dann als wertvoller 3-Karat-Diamant entpuppt. „Er sah toll aus“, erzählt Gemmologe Bahr mit leuchtenden Augen. In seinem Labor hantiert er mit Zange, Lupe, Mikroskop, um Steine in Augenschein zu nehmen. Dann wird im Refraktometer die Lichtbrechung geprüft, um anschließend Schliffart, Reinheit und Gewicht zu bestimmen. „Es ist sehr selten, dassein Kunde mit einem unerkannten Schatz wie dem verkappten Bergkristall zu mir kommt“, sagt Bahr.
Im Jahr werden von Bahr rund 25.000 Schmuckstücke angekauft. Darunter sind nicht viele Besonderheiten. „Wenn ich diese nicht selber ankaufe, empfehle ich meinen Kunden hierfür einen Kollegen“, sagt Bahr. Der Wert eines Gegenstandes, wie die leicht angelaufene Silberkanne mit den vier Stempeln, richtet sich nicht nur nach der zeitlichen Einordnung, sondern auch nach der Verarbeitung und der heutigen Nachfrage.
Der überwiegende Teil der Schmuckstücke wird nach dem Metallgehalt bewertet, aufgekauft und eingeschmolzen. Beispielsweise breite Goldketten. „Ein Stempel ist ein erstes Indiz auf den Goldgehalt. Es gibt viele Fälschungen und Vorsicht ist geboten, wenn zwei Stempel auftauchen. Goldschmuck wird entweder mit Karat oder dem Goldanteil gestempelt, also entweder 14 Karat oder 585 für 585er Gold“, erklärt Bahr. Während er erzählt, holt der Sachverständige ein Kästchen mit Säuren heraus und erklärt das handelsübliche Prüfverfahren, um den Gehalt von Gold zu bestimmen. Gold löst sich in Königswasser auf. Daher reibt Bahr ein wenig von der Goldkette ab und benetzt den Abrieb mit der schwächsten Säure, die das Gold mit dem geringsten Goldanteil (333er) auflösen würde. Je stärker der Säuregehalt wird und desto mehr der Abrieb der Säure widersteht, desto reiner ist der Goldgehalt. Ein ähnliches Verfahren gibt es für Silber.
Wer seine Schätze begutachten lassen möchte, findet hier einen Experten. Und wer einen Schatz sucht, kann in dem edlen Geschäft einen kaufen. Neben dem erwähnten Schmuck gibt es Gürtel mit Platinschnalle, Manschettenknöpfe, antike Accessoires und vieles mehr. Hochwertiger Schmuck wird ebenfalls auf Kundenwunsch entworfen und angefertigt und vorhandener wertvoller Schmuck wird individuell umgearbeitet.
Magazin VENTUS
Das Magazin für die Generation 50plus, Ausgabe 1/2015
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