Kaffeekanne aus der Hand des Kaisers
Bei der Silberstunde gestern Nachmittag im Warleberger Hof legten die Besucher dem Experten Jens Bahr ihre mitgebrachten Stücke vor
Starker Andrang gestern Nachmittag im Stadtmuseum Warleberger Hof: Der Kieler Juwelier und Silber-Sachverständige Jens Bahr nahm die silbernen Schätze aus dem Privatbesitz der Besucher unter die Lupe: Zucker- und Keksdosen, Platten, Bestecke, Leuchter. Meist handelt es sich um familiäre Erbstücke, deren heutigen Wert die Besitzer nicht kennen.
So brachte ein Ehepaar aus Rendsburg eine Kaffeekanne mit, die mit der Gravur Seiner Kaiserlichen Majestät aus dem Jahre 1905 versehen ist. „Mein Großvater hatte in Ostpreußen Remonten gezüchtet, Pferde für die Kavallerie. Und als Dank hat Wilhelm II. ihm persönlich die Kanne überreicht“, erzählte der heutige Besitzer, der aus Angst vor Dieben und Einbrechern seinen Namen nicht in der Zeitung sehen möchte.
Bahr war angetan von dem „schönen, aufwändig hergestellten Stück. Man sieht sogar noch die leichten Hammerschläge.“ Die Kanne könnte nach erster unverbindlicher Schätzung einen Wert von 5000 Euro haben. Trotz dieser Summe möchte Bahr seinem Gast die Angst vor Langfingern nehmen: „Die Kanne ist für Diebe nicht interessant. Denn sie können beim Verkaufen der Ware nur auf den Materialwert hoffen. Der liegt vielleicht bei 200 bis 300 Euro. Solch eine Kanne klaut nur ein Doofer.“
Ein zweites älteres Ehepaar brachte eine Zuckerschale mit, die nach ihren Angaben im 18. Jahrhundert gefertigt wurde und zum Besitz einer dänischen Prinzessin gehörte, die einen deutschen Adligen geheiratet hatte. Bahr lobte den Zustand der hochwertigen kunstvollen Schale mit ihren vier feinen Füßchen. Ein Set, das etwa von Milch- und Kaffeekanne vervollständigt wäre, könnte in der Auktion schon seine 10000 Euro einbringen – aber an den Verkauf denken die stolzen Besitzer sowieso nicht.
Ein Trinkkrug mit einem Silberdeckel (Jahrgang 1763) und eingeprägter Münze gehörte ebenso zu den gestrigen Vorführstücken wie ein schwerer Silberteller. „Er ist älter als 1888, denn in diesem Jahr wurde in Deutschland die Stempelpflicht auf Silberwaren eingeführt“, erklärte Bahr, der nach genauer Untersuchung mit der Lupe den Wert auf 3000 bis 10000 Euro schätzte. Kommentar der Besitzerin: „Da muss ich wohl jetzt ein wenig aufpassen.“
Martin Schulz (74) aus Kronshagen präsentierte im Warleberger Hof eine Keksdose, die einst bei der Oma auf der Anrichte stand. Er vermutete, dass das Stück aufgrund seiner fernöstlichen Zeichnungen aus China stammt („der Großonkel war früher bei der Handelsmarine). Doch der Sachverständige tippte eher auf England und stellte auch fest, dass es sich wohl nicht um reines Silber handelte. Der Befund störte Schulz überhaupt nicht: „Wir haben unsere Freude daran.“
Udo Carstens, Zeitung sh:z